Städte sind nicht nur Mitverursacher des Klimawandels, sondern auch besonders betroffen (z. B. durch Hitzebelastung). Damit unsere Stadt weiterhin lebenswert bleibt und wir unter gesunden Bedingungen in einer intakten Umwelt leben können, müssen wir uns dem Thema dringend stellen.
Um das Soester Stadtklima überhaupt beurteilen zu können, ist eine solide Datengrundlage nötig. In Soest werden deshalb bis August 2022 rund 100 sog. SenseBoxen in Betrieb genommen, die verschiedene meteorologische Parameter messen. Die Messdaten werden in Echtzeit online – auch zum Download - zur Verfügung gestellt, außerdem ist ein Warnsystem für Extremwetterlagen vorgesehen.
„BürgerWOLKE“ steht für Warnsystem, Oeffentlich, Low-Cost, Klima und Echtzeit.
Möchte man Klimaparameter an vielen Orten messen und sollen diese untereinander vergleichbar sein, müssen - neben einer sinnvollen Verteilung der Messpunkte im Stadtgebiet - an jedem Standort bestimmte Standortbedingungen erfüllt sein.
Deshalb hat das Projektteam BürgerWOLKE auf Grundlage der Empfehlungen der World Meteorological Organisation (WMO) Standortempfehlungen abgeleitet und diese für die Belange des Projektes konkretisiert. Gleichzeitig beinhaltet das Dokument eine Montageanleitung und eine Übersicht der Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen zu technischen und meteorologischen Fragen.
Wie sieht eine SenseBox eigentlich von innen aus und aus welchen Komponenten ist sie zusammengesetzt? Das zeigen Ihnen die Schülerinnen und Schüler des Soester Archigymnasiums in einem Video.
Ein LoRaWAN besteht zumindest aus drei Komponenten: einem Sensor (in BürgerWOLKE die SenseBox), Gateways (bei BürgerWOLKE sind es 10 Stück) und einem Server. Die SenseBox sendet dabei alle 10 Minuten an alle Gateways in ihrer Umgebung. Diese nehmen die Daten auf und geben sie an den Server weiter.
Eine Karte mit den Standorten der Gateways in Soest finden Sie hier.
Die Messdaten werden an 100 Standorten erfasst und müssen dann permanent in einer Datenbank gespeichert werden, um sie von dort aus auswerten und präsentieren zu können. Ein möglichst energieeffizientes Senden von Daten über lange Strecken ermöglicht ein sogenanntes LoRaWAN-Netzwerk (Long Range Wide Area Network).
Diese Technologie wurde speziell für das Internet of things (IoT) entwickelt. Mit LoRaWAN ist es möglich, mehrere hundert Sensoren innerhalb eines Netzwerkes zu verwalten und Sensordaten zu verarbeiten.
Welche Sensoren werden in BürgerWOLKE eingesetzt? Welche Parameter werden gemessen und welche Parameter können zusätzlich daraus abgeleitet werden?
An rund 100 Standorten werden SenseBoxen montiert. Diese messen jedoch nicht alle für das Projekt relevanten meteorologischen Parameter. Wind- und Niederschlagsmessungen sind auf der anderen Seite nicht an so vielen Standorten notwendig, da sie sich kleinräumig nicht so sehr unterscheiden, wie z. B. Temperaturwerte. Deshalb werden an 8 Standorten mit SenseBoxen zusätzlich die Windstärke und die Windrichtung gemessen.
Darüber hinaus werden an 3 Standorten sogenannte Wetterstationen eingesetzt, die noch weitere Parameter wie Niederschlag messen.
Die DWD-Stationen
Neben den o.g. und nun dauerhaft betriebenen Messeinrichtungen installierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine sogenannte MME-Station für die Projektlaufzeit im Soester Süden. Die dort erfassten Messdaten dienen ebenso wie Daten der nächst gelegenen offiziellen DWD-Station in Werl zur Plausibilisierung der mit den BürgerWOLKE-Sensoren erfassten Daten.
Plausibilitätsprüfung und Sensordatenkorrektur
Für den Aufbau eines weitläufigen Sensornetzwerkes kommen im Projekt BürgerWOLKE LowCost-Sensoren zum Einsatz. Da kostengünstige LowCost-Sensoren grundsätzlich störungsanfälliger als kostspielige High-End-Sensoren sind, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die gemessenen Werte hinsichtlich ihrer Plausibilität zu prüfen. So können fehlerhafte Sensorwerte erkannt und ggf. korrigiert werden.
Bei der Plausibilitätsprüfung wird zunächst geprüft, ob die gemessenen Werte grundsätzlich in einem plausiblen Rahmen liegen. Werden hierbei Ausreißer aufgrund eines fehlerhaften oder defekten Sensors festgestellt, werden die entsprechenden Messwerte als ungültig deklariert. Darüber hinaus werden die Sensorwerte auch mit Messdaten von Referenzmessstationen und aus mobilen Messfahrten verglichen.
Neben den Ausfällen von Sensoren kann es auch noch weitere Gründe für verfälschte Messwerte geben. So kann z. B. direkte Sonneneinstrahlung zur Erwärmung der Luft im Messzylinder und somit zur Temperaturverfälschung führen. Um diese Verfälschungen zu korrigieren, werden mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) Modelle trainiert, welche diese Temperaturabweichung versuchen zu kompensieren. Je nach Stärke der Sonneneinstrahlung (welche mittels UV-Sensor und Beleuchtungsstärke-Sensor ebenfalls von der Messtation erfasst werden) wird so z.B. der gemessene Temperaturwert mit einem entsprechenden Korrekturfaktor belegt.
Mobile Messfahrten
Sogenannte Profilmessfahrten liefern einen guten Überblick über die Unterschiede der Temperaturverteilung im Innen- und Außenbereich der Stadt.
In städtischen und stadtnahen Bereichen liefert, auf Grund kleinräumig stark wechselnder Flächennutzung, die räumlich-zeitliche Verteilung der Lufttemperatur mitunter relativ große Temperaturunterschiede.
Die kleinräumige Orographie kann beispielsweise zu einer Modifikation des Temperaturfeldes in einer Stadt führen (z. B. durch Kaltluftflüsse) und auch die Ausrichtung von Gebäuden und Straßen zur Windrichtung können eine Rolle spielen.
Durch mobile Messfahrten können aber auch besonders hilfreiche Rückschlüsse auf die Datenqualität der einzelnen SenseBox-Daten gezogen werden. Das Ergebnis der Profilfahrten dient als zusätzlicher Kontrollindikator für die räumlichen Temperaturunterschiede sowohl für die Modelldaten, als auch für das Messnetz der über das Stadtgebiet verteilten SenseBoxen. Profilmessfahrten zu unterschiedlichen Tageszeiten ermöglichen zudem den variierenden Sonnenstand in die Interpretation mit einzubeziehen.
Mehr zum Thema mobile Messfahrten finden Sie hier. (Download einer pdf-Datei)
Die gefühlte Temperatur und der UV-Index
Zur Ermittlung der Wärmebelastung wird vom DWD aus den gemessenen Parametern unter Berücksichtigung der Globalstrahlung mit dem Klima-Michel-Modell des DWD die gefühlte Temperatur berechnet und mittels eines Ampelsystems auf dem Dashboard angezeigt. Mit diesem Warnsystem für die Bürgerinnen und Bürger können aktuelle Hot-Spots identifiziert werden zum Schutz der Bevölkerung vor erhöhter Wärmebelastung. Das Sensor-Netzwerk basiert auf der Funktechnologie LoRaWAN.
Für die Sicherstellung verlässlicher Messdaten der Low-Cost-Sensoren wird eine Vergleichsstation (mobile Klimastation des DWD) im Süden von Soest betrieben. Dort werden neben Lufttemperatur, Relativer Luftfeuchte, Windstärke und Windgeschwindigkeit auch der Niederschlag sowie die Globalstrahlung und der UV-Index registriert.
PALM-4U
Das meteorologische Modell PALM dient der dreidimensionalen Simulation von Flüssen innerhalb der atmosphärischen Grenzschicht. Sowohl Wind, Temperatur als auch Strahlungskomponenten können in die Berechnungen einfließen. Der Name PALM (engl.: „Parallel Large Eddy Simulation Model“) beschreibt die Berechnung von großen Turbulenzelementen mittels parallelisierten Rechnerstrukturen, die meistens auf Supercomputern zu finden sind. Dank einer räumlich hohen Auflösung im Meterbereich, lassen sich Stadtgebiete und selbst einzelne Straßenschluchten detailgetreu digital repräsentieren. Im Rahmen des BMBF-Projektes „Stadtklima im Wandel“ wird das Modell durch zusätzliche Module zum Stadtklimamodell PALM-4U weiterentwickelt. Dazu zählt auch ein Modul des Deutsche Wetterdienstes, mit dem Daten des DWD-Modells COSMO von PALM-4U gelesen und verarbeitet werden können.
U-Komponente (West-Ost-Komponente) des Windes m/s (Meter pro Sekunde) im Innenstadtbereich von Soest in einer Höhe von 12,5 Metern über Grund – berechnet mit PALM-4U (Datengrundlage: www.geoportal.nrw und Stadt Soest).
Jürgen Treptow
Tel.: +49 2921 103-5401
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